Das Gebot der Stunde

"Bleibt in der Liebe"

Gedankensplitter zu Beginn der 6. Osterwoche

"Tür zum Leben"

Heute stieß ich auf ein Zitat des Soziologen Niklas Luhmann aus dem Jahr 1996. Irgendwie hat es mich nicht losgelassen. Einerseits sicher, weil es so treffend in unsere Zeit passt.

Andererseits aber vor allem, weil ich finde, dass kann nicht einfach so dastehen, dieses Zitat - ist das denn wirklich so?! "Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Medien."

Klar, dieses Zitat ist aus dem Zusammenhang gerissen, und Luhmann auch nicht areligiös zu nennen, wie man meinen könnte. Ich erinnere mich dunkel an ihn, aus dem Theologiestudium: systemische Gesellschaftsethik bzw. Säkularisierungsthese - zentraler Ansatz der Religionssoziologie überhaupt. Denker wie Luhmann betrachten Religion als systemrelevant meist im Sinn von Kontingenzbewältigung.

Kontingent ist etwas, was weder notwendig noch unmöglich ist, und die Bewältigung dessen also so etwas wie: das Umgehen mit Möglichem, Zufälligem, vielleicht auch Schicksalhaftem. Eine Grundfunktion der Religion nach Luhmann ist daher: „letzte Reduktionen bereitzustellen, die die Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit des Welthorizontes in Bestimmbarkeit überführen.“

Ich weiß, das klingt alles sehr theoretisch. Aber irgendwie doch auch zeitgemäß. Auf mal haben wir all die gerade vieldiskutierten Begriffe im Nu beisammen: Säkularisierung, Medien, Systemrelevanz (ein Corona-Begriff schlechthin) und nicht zuletzt das, was Corona ausmacht: Kontingenz!

Doch ist die Antwort - das Bestimmende sozusagen, allein in den Medien zu finden? Was ist mit Fragen der Hoffnung, Sehnsucht, ja des Vertrauens, die Gegenwart übersteigen und mehr sind als Rückkehr in die Vergangenheit. Was ist mit dem, was der Glaube ganz österlich "Auferstehung" nennt?

Der wesentliche Teil der Geschichte Jesu und seiner Kirche ist Tod und Auferstehung, Krise und Erneuerung. Aber über die Bestimmbarkeit des Welthorizontes von daher, aus Glaubenserfahrung heraus, lese und höre ich in den Medien heute eher weniger. Obwohl ich das für absolut systemrelevant halte, weil beziehungsorientiert, metaphysisch, aber deshalb keineswegs weniger relevant!

Hl. Geist - Krisenmanager

"Yes we can - mit Gottes Hilfe", so sagt es Tomáš Halík. Und zwar, immer dann, überall dort, wo sich "Glaube als Weg des Suchens, nicht als Ideologie präsentiert", fährt er fort. 

Ich mag seinen Gedanken "Suchende für Suchende, Fragende für Fragende zu sein" - gerade in Coronazeiten, die unser Wissen - zumindest Stand heute - offensichtlich noch übersteigen.

Haliks Schlußplädoyer zur Situation des Christentums in Europa: "Zwischen Skylla und Charybdis" (Herder Korrespondenz 8/2019) macht mich im Licht des heutigen Evangeliums aus den Abschiedsreden (Joh 14,15-21) jedenfalls ausschnittsweise nochmals sehr nachdenklich:

"Wenn jemand denkt, dass die jetzigen Stürme (...) vorübergehen und alles wieder so sein wird, wie es vorher war, der täuscht sich. (...) Wir leben in einer post-faktischen Zeit! Der Pharisäer fragt, damit er seine Gleichgültigkeit rechtfertigen kann: Wer ist mein Nächster? Es muss doch irgendeine Grenze geben, ich kann doch nicht alle als meine Nächsten betrachten! Jesus kehrt diese Fragen um: Frage nicht, wer dein Nächster ist, aber mach du dich für jeden zum Nächsten, der dich braucht. Frage nicht, was wahr ist, sondern praktiziere die Wahrheit in der Liebe! (...) Schaue nicht in den Himmel, wie die Jünger nach der Himmelfahrt Christi, sondern schaue dich um und suche Christus in denen, die verwundet sind. Er ist bei uns alle Tage bis zum Ende der Welt. Er ist hier jedoch oft 'inkognito', und ihm zu glauben und zu vertrauen bedeutet, ihn ununterbrochen wieder zu suchen."

Und dazu heute im Evang.: "An jenem Tag (aber) werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch." (Joh 14,20) Darum das Gebot der Stunde: keine Verschwörungstheorie, sondern: "Bleibt im Geist der Liebe" - "weil ich lebe, werdet auch ihr leben!" (Joh 14,19) (BS)

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